5.600+ Websites: So fragmentiert ist Österreichs digitale Verwaltung
Erstmals quantifiziert: Von Ministerien bis Gemeinden – über 5.600 digitale Berührungspunkte zwischen Staat und Bürger:innen. Warum kein zentrales Register existiert und was das für die Digitalisierung bedeutet.
Diese Analyse liefert die Datengrundlage für strategische Entscheidungen zur Digitalisierung des öffentlichen Sektors. Deutschland investiert aktuell rund 108 Millionen Euro in einen TYPO3-basierten Government Site Builder – ein starkes Signal für die Technologie-Wahl. Wie Österreich von dieser Entwicklung profitieren und einen intelligenteren Weg einschlagen kann, analysieren wir in unserem Artikel Österreich + TYPO3: Smarte Government-Websites nach deutschem Vorbild.
Die Ausgangslage: Warum diese Analyse?
Wer über ein „Bundes-CMS" oder eine zentrale Government-Plattform diskutiert, braucht zunächst eine klare Antwort auf eine scheinbar triviale Frage: Wie viele Websites betreibt der österreichische Staat eigentlich?
Die ernüchternde Antwort: Niemand weiß es genau.
Diese Analyse schließt die Verzeichnislücke nicht – sie macht sie lediglich sichtbar. Das Ergebnis einer fokussierten Recherche: 5.627 dokumentierte Webpräsenzen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene. Die tatsächliche Zahl dürfte ein Vielfaches davon betragen.
5.627
Verifizierte Websites im durchsuchbaren Register – von Ministerien bis Gemeinden
12
Kategorien von Bundesverwaltung über Bildung bis zu Kultur & Medien
0
Offizielle Register – es existiert kein zentrales Verzeichnis öffentlicher Websites
Executive Summary
Bevor ein „Bundes-CMS" oder eine zentrale digitale Plattform für den öffentlichen Sektor sinnvoll geplant werden kann, muss zunächst eine vollständige Bestandsaufnahme erfolgen. Man kann nicht konsolidieren, was man nicht kennt.
Es existiert kein zentrales Register aller öffentlichen Websites in Österreich. Dieses Verzeichnis basiert auf einer fokussierten Recherche – die tatsächliche Anzahl öffentlicher Webpräsenzen dürfte ein Vielfaches der hier dokumentierten 5.627 Einträge betragen.
Die digitale Präsenz des österreichischen Staates spiegelt exakt die föderale Struktur des Landes wider: dezentral, autonom, fragmentiert. Das ist kein Bug – das ist ein Feature der österreichischen Verfassung. Doch diese Struktur bringt erhebliche Herausforderungen für Auffindbarkeit, Barrierefreiheit und systemweite Analysen mit sich.
224
Bundesverwaltung
13 Ministerien plus nachgeordnete Dienststellen, Themenportale und Kampagnen-Websites
303
Landesverwaltung
9 Bundesländer mit Bezirkshauptmannschaften, Landesbetrieben und spezialisierten Portalen
2.128
Gemeinden
2.092 Gemeinden – die größte Herausforderung mangels zentralem Verzeichnis
2.935
Bildung & Wissenschaft
Schulen, Universitäten, Fachhochschulen – der größte Einzelsektor
Bundesebene: 13 Ministerien, 224 digitale Touchpoints
Das ministerielle Kerngerüst
Die Bundesregierung Stocker besteht seit März 2025 aus dem Bundeskanzleramt und 13 Bundesministerien.1 Jede Einheit betreibt eine primäre Webpräsenz – mit einer Ausnahme: Das Ministerium für Europa, Integration und Familie ist im Bundeskanzleramt angesiedelt und nutzt dessen Domain.2
| Ministerium | Akronym | Offizielle URL |
|---|---|---|
| Bundeskanzleramt | BKA | bka.gv.at |
| BM Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege, Konsumentenschutz | BMASGPK | sozialministerium.gv.at |
| BM Bildung | BMB | bmb.gv.at |
| BM Europäische und internationale Angelegenheiten | BMEIA | bmeia.gv.at |
| BM Finanzen | BMF | bmf.gv.at |
| BM Inneres | BMI | bmi.gv.at |
| BM Justiz | BMJ | bmj.gv.at |
| BM Frauen, Wissenschaft und Forschung | BMFWF | bmfwf.gv.at |
| BM Innovation, Mobilität und Infrastruktur | BMIMI | bmimi.gv.at |
| BM Landesverteidigung | BMLV | bmlv.gv.at |
| BM Land- und Forstwirtschaft, Klima, Umwelt | BMLUK | bmluk.gv.at |
| BM Wirtschaft, Energie und Tourismus | BMWET | bmwet.gv.at |
| BM Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport | BMWKMS | bmwkms.gv.at |
Warum das relevant ist: Jede Regierungsumbildung stellt die digitale Identität des Staates vor Herausforderungen. Domain-Änderungen, URL-Weiterleitungen und die Wahrung der Kontinuität für Bürger:innen erfordern durchdachte Governance-Strategien. Ohne klare Standards entstehen tote Links, verwaiste Inhalte und Verwirrung bei den Nutzer:innen.
Das Subsite-Ökosystem: Strategie statt Chaos
Hinter jedem Ministerium verbirgt sich ein komplexes Netzwerk von Subsites. Die Struktur folgt einer klaren Logik:
Fallbeispiel: Bildungsministerium – Dezentralisierung als Prinzip
Das Bundesministerium für Bildung (BMB) verdeutlicht die Komplexität des Ökosystems:34
Typ-A-Subsites des Bildungsministeriums:
- 9 Bildungsdirektionen – eine pro Bundesland, jeweils mit eigener Webpräsenz
- Bundesschullandheime – gemeinsame Website auf bslh.at
- Institut für Qualitätssicherung (IQS) – eigenständiges Portal
- Pädagogische Hochschulen – bundesweites Netzwerk
- Zentrallehranstalten – diverse Spezialisierungen
Die hohe Anzahl an Subsites ist keine Unordnung, sondern bewusste Strategie: Typ-A-Subsites ermöglichen organisatorische Autonomie, Typ-B-Subsites schaffen zielgruppenspezifische Kommunikationskanäle mit eigener Marke – effektiver als eine überladene Hauptseite.
Quantitative Synthese: Der digitale Fußabdruck des Bundes
| Kategorie | Anzahl |
|---|---|
| Ministerielle Kern-Websites | 13 |
| Subsites (Typ A & B) | ~195 |
| Bundesverwaltung gesamt | ~224 |
Landesebene: Föderalismus im digitalen Raum
Neun Bundesländer, neun digitale Strategien
Österreichs föderale Struktur spiegelt sich unmittelbar in der digitalen Landschaft wider.5 Jedes Bundesland agiert mit hoher Autonomie – das Ergebnis ist eine fragmentierte, aber vielfältige digitale Präsenz.
| Bundesland | Hauptwebsite | Besonderheit |
|---|---|---|
| Burgenland | burgenland.at | Kleinstes Bundesland |
| Kärnten | ktn.gv.at | Zweisprachige Region (Slowenisch) |
| Niederösterreich | noe.gv.at | Flächenmäßig größtes Bundesland |
| Oberösterreich | land-oberoesterreich.gv.at | Längste Domain-URL |
| Salzburg | salzburg.gv.at | Stadt und Land getrennt |
| Steiermark | steiermark.at | Zweitgrößtes Bundesland |
| Tirol | tirol.gv.at | Alpenregion mit Tourismus-Fokus |
| Vorarlberg | vorarlberg.at | Westlichstes Bundesland |
| Wien | wien.gv.at | Stadt und Bundesland in einem |
Institutionelle Isomorphie: Ähnliche Strukturen, unterschiedliche Umsetzung
Die digitale Architektur der Landesverwaltungen zeigt strukturelle Ähnlichkeit zur Bundesebene – ein Phänomen, das Organisationsforscher:innen als „institutionelle Isomorphie" bezeichnen: Organisationen im selben Sektor entwickeln ähnliche Strukturen.6
Das größte Bundesland setzt auf weitläufige Dezentralisierung:7
- 20 Bezirkshauptmannschaften + 4 Statutarstädte8
- NÖ Landeskliniken – eigene Webpräsenz für Gesundheit
- NÖ Pflege- und Betreuungszentren – separates Portal
- Zahlreiche Themenportale für Tourismus, Wirtschaft, Kultur
Geschätzte Websites: ~50
Quantitative Bestandsaufnahme der Bundesländer
| Bundesland | Kern-Website | Bezirks-HMs | Weitere Subsites | Gesamt |
|---|---|---|---|---|
| Burgenland | 1 | 9 | 10 | 20 |
| Kärnten | 1 | 10 | 15 | 26 |
| Niederösterreich | 1 | 24 | 25 | 50 |
| Oberösterreich | 1 | 18 | 20 | 39 |
| Salzburg | 1 | 6 | 15 | 22 |
| Steiermark | 1 | 13 | 20 | 34 |
| Tirol | 1 | 9 | 15 | 25 |
| Vorarlberg | 1 | 4 | 10 | 15 |
| Wien | 1 | 1 | 20 | 22 |
Landesebene gesamt: ~303 Websites (94 Bezirkshauptmannschaften8 + Kernportale + Subsites)
Gemeindeebene: Die größte Unbekannte
2.092 Gemeinden – und kein Verzeichnis
Die Grundlage ist präzise: Laut Statistik Austria existierten zum 1. Januar 2025 exakt 2.092 Gemeinden in Österreich.8 Doch hier beginnt das eigentliche Problem.
Es existiert kein zentrales, offizielles, maschinenlesbares Verzeichnis der Gemeinde-Websites. Weder der Österreichische Gemeindebund10 noch die Landesverbände11 stellen eine solche Liste bereit. Das Regierungsportal oesterreich.gv.at bietet keine vollständige, durchsuchbare Datenbank.12
Das ist keine technische Randnotiz – das ist eine strukturelle Schwäche der nationalen E-Government-Infrastruktur.
Die Existenz inoffizieller, kommerzieller Verzeichnisse (wie gemeinden.at13) und Community-gepflegter Listen (wie auf Wikipedia14) ist ein deutliches Symptom: Ein Markt ist entstanden, weil der Staat keine offizielle Lösung bereitstellt.
Fraktale Komplexität: Das Subsite-Problem multipliziert sich
Ähnlich wie Ministerien und Länder betreiben auch Gemeinden Subsites – und das mehr als zweitausendfach:
Typische Subsites größerer Gemeinden:
- Stadtwerke – Energie, Wasser, Abfall
- Öffentlicher Verkehr – Stadtbus, Regionalbahn
- Wohnbaugesellschaften – kommunaler Wohnbau
- Wirtschaftsbetriebe – Gewerbeparks, Messegelände
Jeder dieser Betriebe kann eine eigene Webpräsenz betreiben.
Diese Faktoren systematisch über 2.092 Organisationen zu erfassen, ist ohne zentrale Datenquelle unmöglich. Die Komplexität ist fraktal: Dieselben Herausforderungen der Bundes- und Landesebene wiederholen sich tausendfach.
Durchsuchbares Verzeichnis: Die Datenbasis
Als praktisches Ergebnis dieser Analyse haben wir ein durchsuchbares Verzeichnis aller identifizierten öffentlichen und halböffentlichen Websites erstellt:
| Kategorie | Anzahl | Anteil |
|---|---|---|
| Bildung & Wissenschaft | 2.935 | 50,8% |
| Gemeinden & Städte | 2.128 | 36,9% |
| Landesverwaltung | 303 | 5,2% |
| Bundesverwaltung | 224 | 3,9% |
| Gesundheit & Soziales | 75 | 1,3% |
| Sonstige Kategorien | 107 | 1,9% |
| Gesamt | 5.627 | 100% |
Für programmatischen Zugriff auf das Verzeichnis steht eine REST API zur Verfügung. Die vollständige Suchoberfläche mit erweiterten Filtermöglichkeiten finden Sie im Tools-Bereich.
Regionale Verteilung
Von den 5.627 Websites konnten 2.941 (52,3%) einem Bundesland zugeordnet werden:
Strategische Empfehlungen: Was jetzt passieren muss
Nationales Domain-Register
Kurzfristig umsetzbar: Zentrales, maschinenlesbares Register aller öffentlichen Domains. Verwaltung durch BKA oder A-SIT. Grundlage für jede weitere Digitalisierungsinitiative.
Standardisierte Typologie
Mittelfristig: Offizielle Klassifizierung öffentlicher Websites (Typ A/B/C-Modell). Ermöglicht systematische Analysen, Compliance-Audits und Ressourcenplanung.
Automatisierte Audits
Kontinuierlich: Web-Crawling für Barrierefreiheit, Sicherheit und Aktualität. Transparenz-Dashboard für Bürger:innen. Basis für evidenzbasierte Politik.
Großbritannien hat mit gov.uk das konsequenteste Beispiel eines zentralisierten Regierungsportals geschaffen. In nur 15 Monaten (2013–2014) wurden über 300 Behörden-Websites auf eine einzige Plattform migriert und 685 Domains geschlossen.15 Das Ergebnis: bessere Auffindbarkeit, konsistente User Experience, effizientere Verwaltung. Die USA hingegen haben mit usa.gov lediglich ein Wegweiser-Portal – die über 20.000 einzelnen .gov-Domains bleiben dezentral organisiert.
Die Schattenseiten der Zentralisierung
Die Idee eines einzigen, zentralen Webportals für alle öffentlichen Stellen klingt verlockend – doch sie bringt erhebliche Nebenwirkungen mit sich:
Föderalismus & Autonomie
Österreich ist ein Bundesstaat. Die Länder und Gemeinden haben verfassungsrechtlich garantierte Kompetenzen – auch in der Außendarstellung. Ein zentrales Portal könnte als Eingriff in die Landeshoheit interpretiert werden.
Regionale IT-Wirtschaft
Hunderte österreichische IT-Unternehmen, Agenturen und Freelancer:innen leben von der Entwicklung öffentlicher Websites. Ein zentrales System würde diesen Markt massiv konsolidieren – zugunsten weniger Großanbieter.
Vendor Lock-in
Ein einziges System bedeutet Abhängigkeit von einem Anbieter. Wartungsverträge, Lizenzkosten und Sicherheitsupdates würden zentral verhandelt – mit entsprechender Marktmacht des Anbieters.
Single Point of Failure
Ein zentrales Portal ist ein zentrales Angriffsziel. Ein erfolgreicher Cyberangriff würde nicht eine Gemeinde betreffen – sondern potenziell alle öffentlichen Dienste gleichzeitig.
Die Lösung liegt nicht in der Wahl zwischen „vollständiger Zentralisierung" und „totalem Wildwuchs". Ein föderiertes Modell – mit gemeinsamen Standards, zentraler Registrierung und dezentraler Umsetzung – könnte die Vorteile beider Ansätze vereinen.
Der erste Schritt dafür: Ein vollständiges Verzeichnis dessen, was existiert.
Konkrete Umsetzungsstrategien und technische Architekturvorschläge finden Sie in unserer Analyse Österreich + TYPO3: Smarte Government-Websites nach deutschem Vorbild.
Fazit: Erst zählen, dann planen
Die digitale Architektur des österreichischen öffentlichen Sektors ist komplex, dezentralisiert und dynamisch. Die hier dokumentierten 5.627 Webpräsenzen sind nur ein Ausschnitt – die tatsächliche Landschaft ist um ein Vielfaches größer.
„Man kann nicht managen, was man nicht messen kann."
— Peter Drucker
Diese Analyse zeigt: Bevor über ein „Bundes-CMS" oder zentrale Plattformen diskutiert wird, braucht Österreich ein vollständiges Verzeichnis dessen, was existiert. Der erste Schritt jeder digitalen Transformation ist Transparenz – nicht Technologie.
Dezentralisierung als Prinzip
Die Subsite als strategisches Werkzeug
Die kritische Verzeichnislücke
Der Weg nach vorne beginnt mit einer Frage, die heute niemand beantworten kann: Wie viele Websites betreibt der österreichische Staat eigentlich? Diese Analyse liefert einen ersten, systematischen Ansatzpunkt.
Methodische Anmerkungen
Referenzen
Wie Österreich von Deutschlands 108-Millionen-Euro-Investment in TYPO3 profitieren und einen intelligenteren Weg einschlagen kann, analysieren wir in: Österreich + TYPO3: Smarte Government-Websites nach deutschem Vorbild
Footnotes
-
Bundesministerien – Bundeskanzleramt Österreich ↩
-
Nachgeordnete Dienststellen – Bundesministerium für Bildung ↩
-
Bund & Länder – Parlament Österreich ↩
-
Landesregierungen – Parlament Österreich ↩
-
Regionale Gliederungen – Statistik Austria ↩ ↩2 ↩3
-
Land Salzburg – salzburg.gv.at ↩
-
Der Österreichische Gemeindebund – gemeindebund.at ↩
-
NÖ Gemeindebund – noegemeindebund.at ↩
-
Leben in der Gemeinde – oesterreich.gv.at ↩
-
Gemeinden.at – gemeinden.at/niederoesterreich ↩
-
GOV.UK Blog: 300+ websites to just 1 in 15 months, Dezember 2014; UK Government Transformation Strategy 2017 ↩
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